Etwa fünf Kilometer südwestlich der heutigen Stadt Demre liegen die Spuren einer verlassenen Hafensiedlung, die auch unter dem Namen Çayağzı bekannt ist. Andriake war der Hafen der antiken Stadt Myra und erstreckte sich damals über zwei Hügeln an beiden Seiten der Hafeneinfahrt. Der Apostel Paulus wartete hier im Herbst 59 n. Chr. auf seiner Reise nach Rom auf günstige Windverhältnisse und wechselte das Schiff, so die Überlieferungen aus der Apostelgeschichte.
Die frühe Besiedelung Andriakes
Andriake war bereits in der Bronzezeit besiedelt gewesen. Das belegen archäologische Ausgrabungen und geomorphologische Untersuchungen in der ehemaligen Küstenregion des Hafens von Andriake. Werkzeuge deuten auf eindeutig bronzezeitliche menschliche Aktivitäten hin.
Der Hafen von Andriake hat sich durch Veränderungen des Flussverlaufs des Andrakos und durch die Füllung des Hafengebietes mit Schwemmland über Jahrhunderte verwandelt.
Andriake – eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten am östlichen Mittelmeer
Andriake war ein geschützter Hafen für segelnde Handelsschiffe. Die Bedeutung des Hafens liegt in seiner Lage an einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten des Mittelmeeres.
Sie wurde zum Umschlagsplatz für den Handel genutzt und hatte besondere logistische Bedeutung in der Antike. So wurde der Hafen ein unverzichtbarer und bedeutender Handelsplatz für Handelsleute und Segler gewesen.
Der Hafenplatz von Andriake wurde in der Antike und in der klassischen Zeit noch genutzt und gilt als herausragend und belebend innerhalb dieser Region um Myra. Bis ins 4. Jh. v.Chr in die hellenistische Zeit reicht der Siedlungscharakter von Andriake zurück. Neuere Ausgrabungen belegen viel weiter zurückreichende Schichten und Artefakte.
Die besondere Lage und Befestigung von Andriake
Andriake liegt auf der Hinterseite eines großen Hügels. Eine Stadtmauer mit Türmen erstreckte sich über 200 Meter entlang des Bergrückens in OSt-West-Richtung und wendete sich nach Norden und verläuft in Richtung des darunter liegenden Hafens. So wurde der Hügel mit Stadtmauern umgeben und in eine befestigte Burg umgewandelt.
In hellenistischer Zeit war die Hafeneinfahrt und die Siedlung gesichtert und konnte vor Eroberungen jedoch nicht immer geschützt werden. Es wird vermutet, dass auch Garnisonen in Andriake den Hafen vor feindlichen Angriffen schützen sollten.
Andriake hatte während der ptolemäischen Zeit sowohl eine militärische, als auch eine strategische Bedeutung. Der Seehandel führte dazu, dass der Hafen von Andriake immer besser ausgestattet und ausgebaut wurde. So entwickelte sich mit der Zeit eine Hafensiedlung. Eine architektonische Struktur entstand zumindest in der hellenistischen Zeit. Während der römischen Kaiserzeit setzte sich diese Entwicklung fort.
Besondere Bauwerke in Andriake
So entstand unter anderem eine Agora, ein Zollgebäude und die Inschriften aus der Nerozeit, das Aquädukt, das Granarium (Getreidespeicher, um vermutlich den Getreidebedarf Roms zu decken), Ehrendenkmäler und die Inschrift aus der Hadrianzeit. Es folgte der Bau einer Reihe von öffentlichen Gebäuden.
In Andriake sieht man heute beim Besuch des Ausgrabungsortes die Spuren antiker Geschäfte, Lagerhäuser und Unterkunftsstrukturen. Schiffe und Boote wurden am Hafen von Andriake gebaut oder repariert, so zum Beispiel in einer Werft.
Die beiden im östlichen Abschnitt des am Hafens gelegenen Bauwerke belegen die soziale Funktion von Andriake in der römischen Zeit. Die drei Seiten der Agora sind zudem mit Geschäften umgeben. In der Mitte befindet sich eine riesige unterirdische Zisterne. Hier gelagt man über eine Treppe, die sinngemäß in die Unterwelt der Agora führt.
Westlich des Hafens sind, wie üblich in der gesamten Region Lykien, lykienartige Sarkophage in einem Nekropolenplatz aufgebaut.
Der Hafen von Andriake hatte ein Hafenzentrum, wo sich einfach und sicher der Hafenverkehr abwickeln ließ. Hinzu kommen soziale Wohnräume sowie Gewerbebauten.
Durch den Bau neuer Geschäfte vergrößerte sich die Siedlung von Andriake im 3. Jh. Insbesondere der Bau neuer Geschäfte und Basare entlang des Hafenufers verstärkte die Bedeutung des Hafens von Andriake in Lykien zunehmend.
Der Bau von Bädern deutet sehr stark auf eine erhöhte Hafenaktivität hin. Aus der theodosianischen Zeit (408-450 n. Chr.) stammen schließlich als Beleg Münzen und Keramik und weiterhin epigraphische Dokumente.
Mit der Erklärung zur Hauptstadt Lykiens ging die Metropolstellung der Region auf Myra über. Die Stadt war nun religiös und kulturell der Mittelpunkt der Region und Andriake ihr Hafen.
Pilgerort für Gottesdieste aller Glaubensrichtungen und heiliger Märtyrer
Ende des 5. Jhs. wurden in Andriake fünf der sechs Kirchen erbaut. Sie dienten vermutlich den Pilgern, die nach Myra kamen, um die heiligen Märtyrer der Stadt zu besuchen. Schließlich befand sich in Myra die heilige Kirche zu St. Nikolaus. Myra wurde zu einem wichtigen Pilgerort und die Pilgerfahrten nahmen nach dem 5. Jh. n. Chr. zu.
Neben den Kirchen baute man auch die Synagoge von Andriake. Dass sich unterschiedliche Glaubensrichtungen hier vertreten fühlten, verdeutlicht die wichtige Rolle Andriakes im Seehandel und als Pilgerzentrum.
Der eigentliche Gottesdienst fand in der Hauptstadt Myra statt. So wurden die Kirchen und Synagogen am Hafen von Andriake für Gottesdienste errichtet.
Katastrophen und Zerstörungen in Andriake – dem Handelszentrum von Lykien
Andriake wird in Quellen besonders als Handelszentrum bezeichnet und hervorgehoben. Doch auch von Naturkatastrophen blieb dieser bedeutende Umschlagsplatz nicht verschont.
Das Erdbeben, das sich im Jahre 529 n. Chr. ereignete und ganz Lykien erschütterte, hat ihren Ausgangspunt in Andriake. Die Pestepidemie von 542 n. Chr. sowie weitere in den Folgejahrhunderten schwächten die Aktivitäten am Hafen.
Mit den arabischen Übergriffen wurde die Sicherheit der Mittelmeerküsten gefährdet. Um der Gefährdung zu begegnen wurde an der lykischen Küste zu dieser Zeit der westliche Teil der Mauern in der nördlichen Siedlung von Andriake errichtet. So stammen die Befestigungsanlagen um die Kirche in der Siedlung aus dem 6. bis 7. Jahrhundert n. Chr.
Die Ruinen der verlassenen Hafenstadt, die im im Sumpf zwischen dem Andriakos Strom und dem Hang in der nördlichen Siedlung errichtet wurde, ruhte auf Schwemmlandaufschüttung.
Immer wieder füllte sich der Hafen mit Schlamm. Und Mauerringe in der Gegend stammen möglicherweise auch aus dem Mittelalter, sodass man darauf schließen kann, dass nach dem Verlassen des Hafens ein kleiner Teil als kleiner Hafen noch genutzt wurde. Der Haupthafen von Myra hieß im Mittelalter Taşdibi/Stamirra.
Die wenigen, bei den Ausgrabungen gefundenen Münzen aus dem 10. bis 13. Jahrhundert n. Chr. stammen aus der letzten Zeit von Andriake. Nach unserem heutigen Wissen nach dauerte die Nutzung und Bebauung von der klassischen Zeit bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts n. Chr. ununterbrochen an.
Andriake war ein Verkehrsknotenpunkt, was zu Hafenbedürfnissen strukturiert wurde und somit nie den Status einer „Stadt“ hatte. Die etwa fünf Kilometer weiter gelegene Myra war die Hauptstadt und profitierte zweifelsohne vom Andriake-Hafen.
Andere Städte wie Patara, Phaselis und Olympos entwickelten sich eng mit ihren Häfen. So waren Planung und Entwicklung des Hafens und der Stadt eng miteinander verflochten. Diese waren somit im Gegensatz zu Andriake Hafenstädte.
Andriake gilt als ein Hafen und Handelszentrum, das von der Hauptstadt Myra gegründet und geprägt wurde. Es ist ein Industriezentrum. Seine endgültige Form nahm es mit dem Bau periodisch errichteter Bauwerke an. Andriake enthält alle architektonischen Elemente, die in einem Hafen zu finden sind.
Andriake heute
Andriake ist heute ein Freilichtmuseum, so, wie es an jedem Ort in Anatolien der Fall ist. Der südliche und zentrale Teil der Andriake Siedlung wird heute noch ausgegraben. Der Großteil wurde aus dem Boden bereits herausgeholt.
Die Strukturen des Getreidespeichers wurden restauriert und in ein herausragendes Museum, dem Lykischen Zivilisationsmuseum umgewandelt. Die Bauwerke werden dadurch nachhaltig geschützt und gepflegt.
Andriake ist heute weiterhin aktiv. Hier lassen sich Spuren der Zivilisation und des menschlichen Lebens aus früheren Zeiten wiederfinden. Eine ehemalige Hafensiedlung mit Wohngebieten, Agora, Granarium, Zollhaus, Lagerhaus, Werft und sakralen Gebäuden über Jahrtausende lässt sich heute dort entdecken.
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Quellen:
– ÇEVİK, Nevzat, ve Süleyman BULUT. “Myra’nın Limanı Andriake: Yeni Veriler Işığında Değerlendirmeler”. TARE: Türk Arkeoloji Ve Kültürel Miras Enstitüsü Dergisi, sy. 2 (Aralık 2022): 7-74. https://doi.org/10.54930/TARE.2022.1473.
– Ilhan Aksit – Lykien das Sonnenland. Aksit Kültür Verlag.